Die Berber sagen: „Wasser reinigt den Körper, die Wüste reinigt Seele und Geist.“ Nach einer traumvollen Nacht unter dem Sternenhimmel im großen Sand führt der Weg auch am vierten Tag durch diese beeindruckenden Berge aus Sand.
Wir laufen über Dünenkämme und -hänge und durchqueren weite Dünentäler. Überall nur Sand, feinster, weicher Sand.
Niemals hätte ich gedacht, dass es sich in dem Sand so gut laufen lässt und die schweren, hohen Wanderschuhe überhaupt nicht stören, sondern dass man angesichts dieser unfassbaren Weite der Wüste, deren Gesicht sich täglich ändert und immer wieder neue Eindrücke offenbart, immer weiter laufen könnte.
Es ist faszinierend in dieser Umgebung, die so lebensunwirklich scheint und in der kaum Lebewesen zu sehen sind, die zahlreichen Tierspuren im Sand zu entdecken – von den winzigen Spuren der Käfer über die Spuren der Wüstenfüchse bis zu den geschwungen Bögen, welche die Schlangen im Sand hinterlassen.
Gegen Mittag werden an einem Wüstenbrunnen die Dromedare getränkt, die Kanister gefüllt und wir suchen uns etwas weiter unseren nächsten Lagerplatz.
Doch vorher überrascht uns Brahim noch mit seiner Ankündigung: „Heute wird geduscht! Wer mag, kann heute die Berber-Dusche nutzen!“ Wir, die außer zum gelegentlichen Händewaschen und für eine morgendliche Katzenwäsche samt Zähne putzen, kein Wasser mehr am Körper hatten, sind völlig verdutzt.
Zugleich meldet sich aber angesichts dieser kargen Landschaft das schlechte Gewissen, wie können wir hier, wo kaum etwas wächst, Wasser zum Duschen verschwenden? Erst nachdem man uns versichert, dass der Brunnen ausreichend Wasser habe, freuen wir uns wie kleine Kinder auf das Ereignis des Tages. Gegen 17 Uhr schnappen wir uns unsere Outdoor-Handtücher, die bisher angesichts fehlender Wassermengen noch nicht wirklich zum Einsatz kamen, Duschzeug und Shampoo und pilgern los – extrem neugierig auf Brahims Berber-Dusche. Die ganze Situation hat etwas von einem anstehenden Strandbesuch. In dem an den Brunnen angrenzenden, aber von dort nicht einsehbaren, weiten Dünental hat uns Brahim die „Dusche“ gebastelt.
Sie besteht aus zwei Blechen, die Wand und Dach bilden. Die Gesamthöhe der Konstruktion beträgt geschätzt 120 cm. Skeptisch beäugen wir die Dusche und können uns nur schwer vorstellen, wie wir darin im Sand sitzend duschen sollen, indem wir uns mit Brunnenwasser aus einer 5-Liter-Flasche begießen. Ungläubig schauen wir ihn an. Schließlich beschließen wir, dass die beiden anwesenden Männer am Brunnen „duschen“ und wir das große Dünental zur Großraum-Dusche umfunktionieren, allen Einwänden „und wenn einer kommt“ zum Trotz.
Seit unserem Stopp am letzten Brunnen vor zwei Tagen ist uns niemand mehr begegnet, warum sollte jetzt plötzlich jemand aus dem Nichts auftauchen? Wir fackeln nicht lange, ziehen uns alle fünf schnell aus und duschen uns mithilfe einer zur Schöpfkelle umfunktionierten aufgeschnittenen Wasserflasche und den 5-Liter-Flaschen mit Brunnenwasser. Nach den vier Tagen Wandern in der Wüstenhitze tut das Wasser unglaublich gut. Doch dann. Wir sind kaum angezogen, taucht tatsächlich ein fremder Dromedarkopf über dem Dünenkamm auf, dicht gefolgt von zwei weiteren Dromedaren und zwei fremden Berbern. Oh Schreck, ein paar Minuten früher und die beiden hätte wohl der Schlag getroffen.
Wir chillen noch ein wenig im Sand, bevor wir uns frisch geduscht und wie neu geboren auf den Rückweg durch den Sand zum Lagerplatz machen.
Vier Tage Wüste, vier Tage Ausnahmesituation, vier Tage Emotionen – zurück im Camp kocht die Stimmung hoch. Es folgen lange Diskussionen, die die Stimmung und das Gefühl des Einsseins mit allem drücken. Sogar der von Brahim zum Sonnenuntergang auf dem Dünengrat servierte Tee samt Keksen hilft nicht, dass alles wieder ins Lot kommt.
Ich sammele mich später noch einige Minuten am offenen Feuer, in dem die Nomaden zuvor wieder Brot gebacken haben. Zu später Stunde ziehen wir uns alle an unsere Schlafplätze in der Ruhe und Weite dieser einzigartigen Natur zurück.
Nach einer erholsamen Nacht starten wir am nächsten Morgen nach dem Frühstück zur letzten Etappe unserer Wanderung durch die Wüste.