Jeder hat so seinen Sehnsuchtsort. Mein Sehnsuchtsort war immer die Wüste, die Sahara. Ich weiß nicht, ob es an den Paris-Dakar-Reportagen liegt, die ich als Kind im Fernsehen gesehen habe. Ob es die trockene Wärme, der Sand oder das Nomadenleben ist, was mich so fasziniert. Oder ob es schlicht das totale Verschmelzen mit der Natur in dieser kargen Ödnis ist, in der sie sich in ihrer vollen Kraft zeigt und wir ihr und den Elementen völlig ausgeliefert sind.
Es musste viel passieren, bis ich endlich wusste, ich verschiebe diesen Traum nicht weiter in die Zukunft. Selten habe ich Entscheidungen so schnell und entschlossen getroffen. Knappe sechs Monate später war es dann – nach zwei Nächten im Riad in Marrakesch, einer langen Autofahrt durch den Hohen Atlas und einer Nacht im Kasbah-Hotel in der Wüstenstadt Zagora – endlich so weit. Ich bin angekommen. In der Sahara. In der Wüste. In mir.
Die Zelte, die Lagerküche, die Gepäckberge, das Schlafen im Schlafsack unterm freien Himmel – alles ist so vertraut und löst in mir das Gefühl von Geborgenheit aus, ein Stück Heimat. Die Weite der unberührten Natur ist der Raum, in dem ich Freiheit empfinde. Die Reduktion auf die wesentlichen Dinge im Leben – das Atmen, Essen, Trinken, Schlafen und die Bewegung in der Natur – lassen mich ganz in mir ankommen. Ich merke, dass mir nicht einmal das tägliche Duschen wirklich fehlt. Die Kraft und Ruhe der Erde unter den Füßen beim Wandern durch Sand und Gestein, das kostbare Wasser, das uns und den Dromedaren das Überleben sichert, der Wind, der alles Schwere und Belastende davon trägt, und die transformierende Kraft des Feuers, die Energie der Sonne und letztendlich auch meine Leidenschaft, mein Brennen für die Wüste, das mich erst an diesen unwirklichen Ort gebracht hat – alles ist so intensiv. Mehr scheint nicht zu sein.
Insgesamt fünf Tage – seit wir sonntags am frühen Morgen Zagora verlassen haben, um mit den Jeeps in zweistündiger Fahrt unseren Ausgangsort zu erreichen, bis wir per Land Rover unseren letzten Lagerplatz in der Einsamkeit wieder verlassen, um nach M’Hamid zum Wüsten-Festival Taragalte zu fahren – bin ich das erste Mal seit neun Jahren offline. Bestens ausgestattet mit marokkanischer SIM-Karte samt 10 GB Datenvolumen sowie wasser- und staubdichter 16 000mAh Solar-Powerbank hab ich kein Netz, keinen Empfang – und es ist gut so.*
Alles ist sehr weit weg. Hier bin ich einfach nur noch ich. Ein Teil dieses großen Ganzen. Ein bisschen lebendiger Sternenstaub auf einem Bett aus samtweichem Sand unter einem atemberaubenden Sternenhimmel, den man am liebsten die ganze Nacht anstarren würde, und so wunschlos glücklich, dass ich angesichts der großen Anzahl an Sternschnuppen gar nicht mehr weiß, was ich mir noch wünschen sollte.
* Es ist aber auch schön – als endlich wieder „dieses Internet“ da ist – zu merken, dass die Freunde zuhause, die bei mir nicht mit 5 Tagen offline gerechnet hatten, sich sorgen und mich vermissen, während ich mich im Loslassen und Nichts-Tun übe. Danke, dass es Euch gibt! ;-*